Demenz & Schlaf
Schlafstörungen und Alzheimer
Etwa 45 Prozent der Alzheimer-Patienten leiden unter Schlaflosigkeit und anderen Schlafstörungen. Im Verlauf der Erkrankung kann es mitunter zu einer völligen Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus kommen, was nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für Angehörige und Pflegende eine enorme Herausforderung darstellt. Was viele nicht wissen: Schlechter Schlaf kann bei Alzheimer auch zu einer Verschlimmerung der Beschwerden beitragen. In diesem Zusammenhang gewinnt ein Therapieansatz an Bedeutung, bei dem eine spezielle, verschreibungspflichtige Form des Schlafhormons „Melatonin“ zur Behandlung von Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten angewendet wird.
Schlafstörungen bei Alzheimer-Erkrankung
Schlechter Schlaf und Störungen im Schlafrhythmus belasten die Hirnleistungen. Die Auswirkungen kennt jeder, der nach einer durchwachten Nacht versuchen musste, sich zu konzentrieren. Vor allem ältere Menschen klagen besonders häufig über Schlafprobleme. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die körpereigene Produktion des Schlafhormons Melatonin mit zunehmendem Alter sinkt. In der Folge kommt es häufig zu Schlafstörungen und Verschiebungen des Schlaf-Wach-Rhythmus. Bei Patienten mit Alzheimer-Demenz verstärken sich die altersbedingten Veränderungen in beträchtlichem Ausmaß: Im Verlauf der Erkrankung zerfällt der Nachschlaf immer mehr zu kleineren Schlaffragmenten oder die Betroffenen sind nachts vermehrt wach und verfallen tagsüber in eine Art Dämmerzustand. Zusätzlich treten häufig Orientierungsstörungen, Unruhezustände oder Ängste auf und auch der Abbau der kognitiven Fähigkeiten wird begünstigt.
Die Schlafprobleme bei Alzheimer können so stark ausgeprägt sein, dass ein normaler Alltag auch für Angehörige kaum mehr möglich ist. So können sie zu einem wichtigen Beweggrund werden, ein erkranktes Familienmitglied in eine Pflegeeinrichtung zu geben.
Schlaf & Alzheimer: Wie hängt das zusammen?
Heute weiß man, dass ein gesunder Schlaf wichtige Funktionen für die Hirnleistung und Gedächtnisbildung hat. Wenn wir nicht genug oder nicht gut schlafen, leiden die Konzentrationsfähigkeit und das Erinnerungsvermögen. Denn während wir schlafen, erholt sich unser Gehirn nicht nur, sondern es werden die am Tage aufgenommen Informationen geordnet und unnötige Informationen „aussortiert“. Guter Schlaf festigt so die Erinnerungen und das Gedächtnis – Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Konsolidierung von Gedächtnisinhalten“. Und er sorgt dafür, dass wir geistig leistungsfähig bleiben. So ist es nicht verwunderlich, dass Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten die Beschwerden verschlimmern und den Verlauf der Erkrankung beschleunigen können. Zudem gelten Schlafstörungen auch als Risikofaktor für die Entwicklung der Alzheimer-Erkrankung.
Ein weiterer Aspekt, der auf einen wichtigen Zusammenhang zwischen Schlaf und Alzheimer hinweist: Als einer der wichtigsten Auslöser der Erkrankung gilt die Ablagerung von extrazellulärem neurotoxischem Beta-Amyloid als unlösliche Plaques. Bei ausreichendem und gutem Schlaf wird das sich ablagernde Beta-Amyloid abgebaut – auf diese Weise lässt sich die Bildung der unlöslichen Plaques reduzieren oder sogar vermeiden. Umgekehrt kommt es bei schlechtem oder zu wenig Schlaf zu einer vermehrten Ablagerung dieser Substanz, was dazu führt, dass kognitive Fähigkeiten vermehrt verloren gehen. Studien deuten darauf hin, dass schlechter Schlaf auch mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht, die ebenfalls als Risikofaktoren für Alzheimer gelten.
Schlechter Schlaf gilt nicht nur als Risikofaktor für Alzheimer. Er kann die Beschwerden bei einer bestehenden Alzheimer-Erkrankung auch verschlimmern.
Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten behandeln
Aus den geschilderten Zusammenhängen ergibt sich eine dringliche Notwendigkeit für die Behandlung von Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten. Dabei kommen in der Regel neben den gängigen chemischen Schlafmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine auch allgemeine Maßnahmen zur Schlafhygiene zum Einsatz. Ein neuer Therapieansatz zielt auf eine Korrektur des Schlaf-Wach-Rhythmus ab, von der die Erkrankten offenbar besonders profitieren können. In diesem Fall kommt eine spezielle Form des körpereigenen Schlafhormons Melatonin (retardiertes Melatonin) zum Einsatz, das vom Arzt verordnet wird.
Viele chemische Wirkstoffe, die von Ärzten immer noch oft zur Behandlung von Schlafstörungen verordnet werden, wirken zwar schnell, können aber starke Nebenwirkungen (z. B. Gewöhnung, Verwirrtheit, erhöhtes Risiko für Demenz) haben.
Retardiertes Melatonin zur Schlaftherapie bei Alzheimer
Um eine unzureichende, körpereigene Melatonin-Ausschüttung auszugleichen und damit einhergehende Schlafstörungen zu behandeln, wird oft das sogenannte retardierte Melatonin empfohlen. Verschiedene klinische Studien haben die Anwendung von retardiertem Melatonin als Zusatztherapie bei Alzheimer untersucht. Die Ergebnisse waren überzeugend: Die Behandlung mit speziellen Retard-Tabletten hilft offenbar, den Schlaf-Wach-Rhythmus bei Alzheimer-Patienten mit Schlafstörungen zu korrigieren und auf diese Weise die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern. Darüber hinaus kann über eine Harmonisierung des natürlichen Schlafes sogar eine Reduktion bestehender Alzheimer-Plaques erreicht werden. So kann offenbar auch der Beginn einer Alzheimer-Erkrankung verzögert werden, sodass Betroffen und Angehörige wertvolle Zeit gewinnen.
Wichtig ist dabei, dass das Melatonin langsam aus der Tablette freigesetzt wird, damit die natürliche Ausschüttung im Körper über mehrere Stunden hinweg nachgeahmt wird und so die chronobiologischen Prozesse wiederhergestellt werden können. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von retardiertem Melatonin. Derartige Präparate sind nicht freiverkäuflich, sondern nur auf Rezept erhältlich.